Familie: Irrenhaus oder Rückzugsort?

„Die größte Irrenanstalt der Welt ist die Familie“, sagte mal ein Kommunikationscoach zu mir. Auf meiner Website habe ich geschrieben, Familie sei ein Rückzugsort, an dem man sich nicht verstellen müsse und einfach willkommen sei, wie man eben ist. Was stimmt denn nun?

Laut Wörterbuch ist Familie im Kleinen eine „aus einem Elternpaar oder einem Elternteil und mindestens einem Kind bestehende Lebensgemeinschaft“, im Großen eine „Gruppe aller miteinander (bluts)verwandten Personen“. Nun wissen wir alle, dass nicht in jeder Familie Unterstützung und Wertschätzung an erster Stelle stehen. Dass man häufig eher Erwartungen erfüllen muss, statt sich fallenlassen zu können. Manchmal werden gestandene, selbstbewusste Erwachsene bei ihren Eltern wieder zum Kind, können eben nicht mehr sie selbst sein, sondern müssen sich „zusammenreißen“, „benehmen“, den Erwartungen der Eltern unterordnen. Auch wenn man im Beruf erfolgreich ist, mutiert manch eine(r) in Gegenwart seiner Geschwister wieder zu einem schüchternen Wesen, weil man irgendwie immer „der / die Kleine“ bleibt.

Wenn ich also schreibe, die Familie sei ein Rückzugsort, meine ich eher die „Herzensfamilie“ oder „Lebensfamilie“ – das Kuddelmuddel aus Verwandten, Freunden, Nachbarn, KollegInnen usw., die man jederzeit gern zum Grillen einladen würde und die auch kommen würden. Die mich lieben, obwohl sie mich kennen 😉 Und diese Familie feiern wir auf unseren Hochzeiten und Kinderwillkommensfesten, wenn wir planen, gemeinsam unser Leben zu gestalten. Wenn wir heiraten, schenken wir uns gegenseitig auch ein bisschen unsere Freunde ;-), wenn wir ein Kinderwillkommensfest feiern, schenken wir dem Kind unsere Lebensfamilie, ganz besonders durch die Paten. Ich liebe das Ende des Films „Sex and the City 1“, als Carrie schließlich ihren Mr.Big heiratet – ganz ohne Designerkleid und Rummel, nur mit den besten Freunden in einem Imbiss-Restaurant – eingehüllt nicht in Samt und Seide, aber in Liebe. Auf die Lebensfamilie – übrigens gibt es auch in meiner einige Irre – ich bin eine davon.